Ein Spaziergang durch die DS-GVO – Artikel 20

Ein Spaziergang durch die DS-GVO - Artikel 20


Im Rahmen der Blog-Reihe „Ein Spaziergang durch die DS-GVO“ betrachten wir die einzelnen Artikel der Datenschutz-Grundverordnung aus einem etwas anderen Blickwinkel. Ziel ist kein x-ter Kommentar, es soll eher ein Datenschutz-Feuilleton entstehen, mit Anmerkungen und Überlegungen auch zu Artikeln, die Sie im Datenschutz-Alltag vielleicht noch nie gelesen haben. Das in Artikel 20 DS-GVO geregelte „Recht auf Datenübertragbarkeit“ sorgte seinerzeit für große Aufregung, viel Verwirrung und weckte viele Hoffnungen – also ein typischer Teil der ganzen DS-GVO. Die Aufregung hat sich gelegt. Nach wie vor sind nicht alle Zweifelsfragen geklärt. Der erhoffte Nutzen ist bisher nicht eingetreten – auch insoweit ein typischer Teil der DS-GVO?

Gerade in den letzten Tagen – genau: am 12. September 2025 – kam Art. 20 DS-GVO plötzlich wieder „ins Gerede“, weil seitdem der Data Act angewendet wird. Und dort ist Ähnliches wie in Art. 20 DS-GVO noch einmal geregelt. Aber der Reihe nach…


Zum Artikel 20 DS-GVO

Wenn Betroffene einem Verantwortlichen (1) zur automatisierten Verarbeitung (2) auf Grundlage einer Einwilligung oder eines Vertrags (3) eigene Daten überlassen, dann können sie vom Verantwortlichen verlangen, diese Daten „weiter verwendbar“ (standardisiert und maschinenlesbar) zu erhalten. Sie können auch verlangen, dass der Verantwortliche die entsprechenden Daten zur Weiterverwendung direkt einem anderen Verantwortlichen zuleitet.


Ist das Datenschutz oder kann das weg?

Hat die Norm überhaupt etwas mit Datenschutz zu tun oder gehört sie in den Bereich Wettbewerbsrecht bzw. Kartellrecht? Bekämpft werden sollte damit jedenfalls die Marktmacht großer Anbieter, die mit WhatsApp und Co. ihren Kunden eine „Datenheimat“ anbieten. Und wie es so geht mit Heimat: Hat man sich häuslich niedergelassen und einige Jahre eingerichtet, fällt das Weggehen schwer. Außer natürlich, man kann den Anbieter gesetzlich als „Umzugshelfer“ nutzen, der alle Daten sortiert und einpackt, damit der neue Anbieter für den Kunden die neue Heimat wohnlich einrichten kann. Ohne den Umzugsservice – so der Grundgedanke – zieht kaum jemand um. Die großen Anbieter werden immer größer und neue Anbieter haben kaum eine Chance. Das sollte Artikel 20 ändern.

Noch einmal: Was hat das mit Datenschutz zu tun? Etwas schon, aber nicht sehr viel: Zum Datenschutz gehört die „Kontrolle über eigene Daten“ zumindest in dem Sinne, dass Betroffene wissen, wo sich ihre Daten befinden und weitestmöglich auch darüber bestimmen dürfen, ob die Daten dort verbleiben. Der „Umzugsservice“ geht darüber natürlich deutlich hinaus. Datenschutz beinhaltet eigentlich nicht den Anspruch darauf, dass andere meine Daten für mich pflegen, sortieren und irgendwohin transportieren müssen. Wahrscheinlich gehört Art. 20 DS-GVO also doch eher ins Wettbewerbs- und Kartellrecht oder in das von der Europäische Union neu geschaffene Datenrecht, respektive Datennutzungsrecht – bei dem Datenschutz nur noch eine Facette darstellt.

Dieser Eindruck verstärkt sich noch, weil nach Art. 20 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO die öffentliche Hand pflichtenfrei gestellt wird. Das Recht auf Datenübertragbarkeit gilt also nicht gegenüber dem Staat – dabei war Datenschutz zuerst einmal ein Grundrecht – sondern nur gegenüber der Privatwirtschaft.

Anfang September hatte ich Gelegenheit, bei einem Erfahrungsaustausch andere Datenschützer nach Anwendungsfällen von Art. 20 DS-GVO zu fragen. Mir selbst sind in den vergangenen sieben Jahren nämlich keinen echten Anwendungen untergekommen. Die Diskussion im größeren Kreis hat es bestätigt: Natürlich gibt es Datentransfers zum Beispiel beim Wechsel von Dienstleistern. Sie werden aber nicht über Art. 20 DS-GVO abgewickelt – der ja ohnehin nur für die Daten natürlicher Personen gilt, also zum Beispiel einer GmbH nicht weiterhilft. Artikel 20 kann also gern wegfallen, zumal dann, wenn neue Gesetze wie der Data Act „Ähnliches etwas anders regeln“. Was meinen Sie?

Über den Autor: Prof. Dr. Ralph Wagner ist Vorstand des DID Dresdner Institut für Datenschutz sowie Vorsitzender des ERFA-Kreis Sachsen der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V. (GDD). Als Honorarprofessor an der Technischen Universität Dresden hält er regelmäßig Vorlesungen und Seminare zum Thema Datenschutzrecht. Für Anregungen und Reaktionen zu diesem Beitrag können Sie den Autor gern per E-Mail kontaktieren.