Videoüberwachung in Wettbüros

Videoüberwachung in Wettbüros


In einem aktuellen Fall beschäftigte sich das Verwaltungsgericht (VG) Hannover (Urt. v. 10.10.2023, Az. 10 A 3472/20) mit einem besonderen Fall der Videoüberwachung – der Videoüberwachung in einem Wettbüro. Der folgende Beitrag soll den Sachverhalt sowie das Urteil umreißen und die wichtigen Aspekte für die Praxis darstellen.


Der Sachverhalt

Die Klägerin verfügt über ein Filialnetz für Wettannahmen der Pferdewett- und Sportvermittlung. In dem infrage stehenden Wettbüro halten sich Gäste in mehreren Abschnitten beziehungsweise Räumlichkeiten auf. Hierzu gehören das Wettbüro, der Gastronomiebereich und die sanitären Einrichtungen.  

Die Geschäftsführung ließ in der betroffenen Filiale insgesamt elf Videokameras aufstellen, welche die drei für Gäste zugänglichen Räume umfassend überwachten. Die Betreiberin des Wettbüros begründete die Überwachung mit dem berechtigten Interesse der Vorbeugung von Straftaten, welche in Vergangenheit häufiger und in verschiedenen Variationen stattfand. Hierzu gehörten insbesondere milieubedingte Kriminalität wie Handel und Konsum von Drogen, damit verbundene, teils aggressive Handlungen und Betrug. Weiterhin dienen die Kameras der Stärkung des Sicherheitsgefühls der Beschäftigten und dem Schutz des Eigentums vor Vandalismus und Diebstahl.

Grund der Klage seitens des Betreibers waren Streitigkeiten mit der der Niedersächsischen Datenschutzbehörde bezüglich der Aufstellung einiger Kameras in den Räumlichkeiten.  Die beklagte Datenschutzbehörde gab an, dass die Überwachung der Arbeits- und Sitzplätze in den Räumlichkeiten nicht erforderlich sei, um die vom Kläger verfolgten Zwecke der Videoüberwachung umzusetzen. Die Überwachung beeinträchtige zudem die Persönlichkeitsrechte der sich länger in den Sitzbereichen aufhaltenden Personen.


Zum Urteil

Das VG Hannover wies die Klage ab und gab der Datenschutzbehörde recht. Das Gericht befand die Anweisung als materiell rechtmäßig, da einige der Kameras mit ihrer derzeitigen Aufstellung nicht den datenschutzrechtlichen Anforderungen entsprachen. Weiterhin waren die in Frage stehenden Kameras nach Auffassung des Gerichts zur Wahrnehmung der Interessen der Klägerin nicht notwendig. Dem Gericht war kein Zusammenhang zwischen der in Vergangenheit begangenen Straftaten und dem Aufenthalt der Gäste in den Sitzbereichen erkennbar, da die jeweiligen Straftaten nicht in dem betroffenen Bereich stattgefunden haben.

Für das Gericht war außerdem nicht erkennbar, dass die Videoüberwachung im Sitzbereich dazu geeignet ist, die zuvor genannten Straftaten zu verhindern oder aufzuklären.

Das VG Hannover war der Auffassung, dass der Betreiber zu wesentlich milderen Mitteln hätte greifen können. So teilte das Gericht die Auffassung des Klägers nicht, dass die Präsenz von Wachpersonal von den Gästen als gravierenderer Eingriff wahrgenommen würde, weshalb der Einsatz von Kameras bereits das mildere Mittel gewesen sei. Der Einsatz von Wachpersonal würde entgegen der Argumentation der Klägerin nicht zu einer permanenten Beobachtung führen, sofern diese nur gelegentliche Rundgänge unternehmen. Gelegentliche Rundgänge würden zudem die gleiche abschreckende Wirkung entfalten wie eine permanente Beobachtung durch Kameras. Weiterhin könnte sich das Personal vor aggressiv auftretenden Gästen schützen, indem sie die Polizei rufen, anstatt sie selbst des Hauses zu verweisen.


Fazit

Aus dem Urteil wird schnell ersichtlich, dass die Videoüberwachung im Betrieb datenschutzrechtlich nach wie vor erhebliche Hürden in der Rechtfertigung erfahren kann. In der Praxis greifen Verantwortliche oftmals auf Videokameras zurück, welche die Videoüberwachung mit der Aufdeckung von Vandalismus oder ähnlichen Delikten rechtfertigen, obwohl teilweise bislang keine derartigen Fälle aufgetreten sind. Das Urteil zeigt, dass selbst bei in der Vergangenheit aufgetretenen Straftaten das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen noch immer über den Interessen des Betreibers stehen kann. Die Videoüberwachung ist jedoch keinesfalls unmöglich. Letztendlich kommt es auch in Wettbüros mit hohem Aufkommen (potenzieller) krimineller und gewalttätiger Handlungen auf eine datenschutzkonforme Einrichtung der Videokameras an.

Über den Autor: Andreas Nanos LL.M. ist Wirtschaftsjurist und als externer Datenschutzbeauftragter beim Dresdner Institut für Datenschutz tätig. Im Fokus seiner Beratungstätigkeiten liegen insbesondere Unternehmen im Speditionssektor, mittelständische Unternehmen, sowie Hochschulen und Kultureinrichtungen. Neben seiner Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter promoviert er an der juristischen Fakultät der Karls-Universität Prag im Bereich der strafrechtlichen Verantwortung für künstliche Intelligenz. Für Anregungen und Reaktionen zu diesem Beitrag können Sie den Autor gern per E-Mail kontaktieren.

Mitgliedschaften des Dresdner Instituts für Datenschutz