WIR SUCHEN DICH! – ABER NUR MIT EINEM PSYCHOLOGISCHEN TEST (1)


Unternehmen stehen im betrieblichen Alltag vor einer zunehmenden Anzahl an Einzelentscheidungen. Jede dieser Entscheidung ist wichtig und muss getroffen werden, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Ein Bereich, welcher Unternehmen sehr viel Zeit, Personal und damit Ressourcen kostet, ist die Suche nach geeigneten Mitarbeiter:innen. Auf eine Stellenanzeige treffen teilweise Tausende Bewerbungen ein. In solchen Fällen ist es wohl keinem Unternehmen möglich, sämtliche Bewerbungen einzeln und individuell gründlich zu sichten. Selbst wenn die Auswahl geeigneter Bewerber:innen getroffen ist, bleiben sogar bei den aussagekräftigsten Bewerbungsunterlagen viele Fragen offen: Ist die Person wirklich stressresistent? Stimmen die Angaben bezüglich der Zuverlässigkeit? Passt die Person charakterlich ins Team? Um diese Ungewissheiten zumindest teilweise zu eliminieren, gibt es psychologische Testverfahren, die berufsrelevante Persönlichkeitsmerkmale systematisch und automatisiert erfassen.

Die Nutzung dieser Dienste ist für Unternehmen heute gängig und Jobsuchende nehmen diese regelmäßig unkritisch in Anspruch, um keinen negativen Eindruck im Bewerbungsgeschehen zu hinterlassen. Dennoch gibt es in der Praxis einige datenschutzrechtliche Stolpersteine, über die Unternehmen im Rahmen der Nutzung fallen können. Dieser Beitrag widmet sich der Frage, ob das automatisierte psychologische Testverfahren als Profiling bzw. als automatisierte Entscheidungsfindung im Einzelfall einschließlich Profiling zu werten ist.


PROFILING UND AUTOMATISIERTE ENTSCHEIDUNGSFINDUNG?

Eine weitere Fragestellung ergibt sich aus Art. 22 DS-GVO. Dieser regelt das Recht des Betroffenen, keiner ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden. Gemäß Art. 4 Nr. 4 DS-GVO fällt unter den Begriff des Profilings jede automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten zur Bewertung bestimmter persönlicher Aspekte natürlicher Personen. Hierzu gehören Faktoren wie Arbeitsleistung, Gesundheit, Interessen, Zuverlässigkeit, Verhalten usw.

Per Definition umfasst das Profiling lediglich die Datenanalyse einer individuellen Verhaltensbewertung. Als Profiling werden Techniken erfasst, mit deren Hilfe auf Grundlage des analytischen Verhaltens unter Zugrundelegung statistisch-mathematischer Verfahren, Prognosen über das mögliche künftige Verhalten einer Person erstellt werden können. Dies kann eine Vielzahl verschiedener Prognosen sein, wie beispielsweise und in diesem Kontext besonders relevant, Einschätzungen von Fehler- und Ermüdungsrisiken im Zusammenhang mit der Bedienung komplexer Maschinen. Die Funktionsweise psychologischer Testverfahren entspricht somit der Definition des Profilings. Das bedeutet jedoch nur, dass keine automatische Entscheidung ausschließlich auf Basis der Ergebnisse automatisierter psychologischer Testverfahren gefällt werden darf. In der Praxis bedeutet das, dass wenn Sie eine Software für psychologische Gutachten im Bewerbungsmanagement einsetzen, Sie den Prozess insgesamt so gestalten sollten, dass Sie Bewerber:innen nicht allein aufgrund des psychologischen Gutachtens „herausfiltern“.

Art. 22 Abs. 2 kennt drei Ausnahmetatbestände. Relevant könnte zum einen Abs. 2 lit. a sein, wenn die Entscheidung für den Abschluss oder Erfüllung eines Vertrags zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen erforderlich ist. Ob dieser Ausnahmetatbestand greift, ist hinsichtlich der Vielzahl an Stadien eines Bewerbungsprozesses fraglich. Unklar bleibt, ob die Ausnahme des Abs. 2 lit. a einschlägig ist, wenn ein derart generiertes psychologisches Gutachten in die Entscheidung einbezogen wird, einen Bewerber lediglich zu einem Bewerbungsgespräch einzuladen. Es handelt sich nur um eine Einladung zum Gespräch, auf dessen Basis die finale Entscheidung getroffen werden soll. Demnach könnte man argumentieren, dass der Bewerber keiner auf einer automatischen Verarbeitung beruhenden Entscheidung unterworfen war, sondern auf eine von Menschen getroffene Einzelentscheidung, beruhend auf das Bewerbungsgespräch. Dem steht jedoch das im Schrifttum häufig aufgeführte Argument entgegen, dass eine (negative) rechtliche Wirkung oder sonstige ähnliche, erhebliche Beeinträchtigung ausreicht, um den Tatbestand des Art. 22 Abs. 1 DS-GVO auszulösen. Demzufolge, so die Argumentation, reicht es aus Bewerber nicht zum Bewerbungsgespräch einzuladen, um eine rechtliche Wirkung zu entfalten. Der Bewerber hätte im persönlichen Gespräch vielleicht doch überzeugen können.

Einzige weitere Ausnahme findet sich in lit. c. Demnach wäre die automatische Entscheidung basierend auf den Ergebnissen des psychologischen Testverfahrens mit einer ausdrücklichen Einwilligung der betroffenen Person zulässig. Doch auch diese Variante ist problematisch, da die Einwilligung gemäß § 26 Abs. 2 S. 1 BDSG freiwillig erfolgen muss. Eine rechtsgültige Einwilligung der Bewerber:innen wäre allerdings kaum durchsetzbar, denn es gibt keine „echte Wahl“. Bei Widerruf oder Verweigerung wäre die logische Konsequenz, dass die Bewerber:innen aus dem Verfahren ausgeschlossen werden. Das führte das Bewerbungsverfahren ad absurdum.

Die Art. 29 Datenschutzgruppe sieht eine rein maschinelle Entscheidung als erforderlich an, wenn auf eine Stellenanzeige derartig viele Bewerbungen eingeschickt werden, dass die manuelle Sichtung und die darauf basierende Entscheidung für das Unternehmen nicht tragbar ist. Da die Durchsicht der Bewerbungen für Unternehmen bei einer derart hohen Zahl nicht zumutbar ist, muss die Auslese folglich durch automatisierte Prozesse erfolgen, um einen Überblick über die am meisten infrage kommenden Bewerber zu erlangen.


ERGEBNIS

Unternehmen haben ein Interesse daran, den Bewerbungsprozess so zu gestalten, dass die finale Entscheidung, wen sie einstellen, einerseits mit einem möglichst geringen Risiko behaftet ist, andererseits sollte die Entscheidungsphase schnell und kostengünstig vonstattengehen. Psychologische Gutachten minimieren das Risiko eines „Fehlgriffs“ bei der Auswahl. Automatische Entscheidungsprozesse, die die Ergebnisse solcher Gutachten mit einbeziehen, können das Verfahren enorm beschleunigen.

Für die Praxis können wir in diesem Kontext folgenden Raten geben: Nutzen Sie die Gutachten solcher Testverfahren grundsätzlich nur bei einer eher überschaubaren Anzahl von Bewerber:innen und allein zur Risikominimierung. So ist es im Notfall einfacher nachzuweisen, dass Ihre Entscheidung ausschließlich von Menschen getroffen wurde und das Gutachten hierbei eine rein unterstützende Funktion hatte. Die rechtssichere Einbeziehung solcher Testverfahren ist schwierig, da die Ausnahmen des Art. 22 Abs. 2 lit. a und c möglicherweise nicht einschlägig sind. Insbesondere wird es, aufgrund der wahrscheinlichen Konsequenzen bei Widerspruch, kaum möglich sein, Bewerber:innen freiwillig einwilligen zu lassen.

Über den Autor: Andreas Nanos LL.M. ist Wirtschaftsjurist und als externer Datenschutzbeauftragter beim Dresdner Institut für Datenschutz tätig. Im Fokus seiner Beratungstätigkeiten liegen insbesondere Unternehmen im Speditionssektor, mittelständische Unternehmen, sowie Hochschulen und Kultureinrichtungen. Neben seiner Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter promoviert er an der juristischen Fakultät der Karls-Universität Prag im Bereich der strafrechtlichen Verantwortung für künstliche Intelligenz. Für Anregungen und Reaktionen zu diesem Beitrag können Sie den Autor gern per E-Mail kontaktieren.

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